Kurzgeschichten
Der leicht fehlgelaufene Halloweenscherz
Es hat eine Weile gedauert, bis ich nachts wieder schlafen konnte ohne schreiend aufzuwachen. Sehr lange war ich nicht in der Lage, es irgendwem überhaupt zu erzählen
Und ehrlich gesagt, konnte ich am Ende auch nicht mehr sagen, ob diese Geschichte jemals wirklich geschehen war oder ich sie von Anfang an nur geträumt hatte.
Es ist nämlich so, dass keine der ortsüblichen Zeitschriften darüber berichtete und auch im Internet fand ich nichts, also bin ich mir nicht mehr sicher das es echt war.
Aber von vorn.
Es war so kurz vor Halloween, als meine Tochter des nachmittags beschloss, noch einmal mit dem Zug zu einer Freundin zu fahren. Es war ein schöner, heller Oktobertag, also dachte ich mir nichts dabei als ich es ihr erlaubte.
Was für ein folgenschwerer Fehler.
Zu dem Zeitpunkt als es schon langsam auf die Dämmerung zuging, überkam mich ein seltsames Gefühl und ich wurde unruhig.
Eltern kennen dieses Gefühl vermutlich. Man spürt das etwas nicht in Ordnung ist, aber man kann es nicht benennen.
Da ich aber ein cooler Vater sein wollte, beschloss ich, meine Tochter eben nicht stalkermäßig anzurufen um zu fragen, ob alles in Ordnung ist. Immerhin ist sie auch schon 14 und wenn Daddy ständig anruft, findet sie das uncool.
Vor allem wenn sie bei ihren Freundinnen ist.
Als aber einige Zeit später dieses Gefühl noch verstärkt wurde, durch einen blutroten Himmel und lautes Hundegebell und es mir vorkam, als würden sämtliche Hunde der Nachbarschaft gleichzeitig durchdrehen, griff ich doch zum Telefon.
… nichts.
Ungläubig schaute ich auf mein Handy und rief meine Frau.
„Hey, ruf Du mal unser Kind an.“
„Warum soll ich?“ Meine Frau schaute mich fragend an.
„Mach bitte, ich möchte nur sichergehen dass sie gut bei ihrer Freundin angekommen ist. Aber mein Handy scheint tot zu sein.“
Ich wollte meine Frau nicht mit meiner aufkommenden Panik anstecken.
„Okay mein Schatz, moment“ sagte sie und verschwand Richtung Schlafzimmer zu ihrem Handy.
Kurz darauf stand sie schon wieder vor mir und sah nun auch schon etwas besorgt aus, „das ist aber komisch“ meinte sie, die Stirn kräuselnd auf ihr Handy schauend.
Ich ahnte schlimmes. „Sag nicht, dein Handy ist auch tot?“ fragte ich sie ungläubig.
Sie drehte ihr Handy in der Hand hin und her, als könne sie damit plötzlich wieder Netz haben, aber nichts geschah.
Ich sah wie ihr ein Gedanke kam und zuckte innerlich zusammen, als sie sagte „los, schnapp dir deine Jacke, wir gehen zum Bahnhof.“
So ganz wohl war mir nicht. Vor allem als wir vor die Tür traten und der Himmel irgendwie so anders aussah als sonst. Aber meine Frau schien dies gar nicht zu registrieren.
Wortlos gingen wir zur Straßenbahn.
Von weitem schon, sahen wir das da viel zu viele Menschen waren.
„Sieht ja aus wie eine Zombieinvasion“ scherzte meine Frau.
Mir war nicht zum lachen zumute, also grunzte ich nur vor mich hin, zog mir die Kapuze über den Kopf und ging weiter.
Meine Frau schaute mich argwöhnisch an.
„Mir ist kalt“ log ich sie an.
In Wahrheit war mir übel, weil mir die Szene die sich vor uns aufbaute tatsächlich schon sehr seltsam vorkam.
Ich hatte mich nicht geirrt.
Als wir ungefähr fünfzig Meter vor der Straßenbahnhaltestelle waren, überkam uns nackte Panik.
Hauptsächlich hatten wir beide sofort wahnsinnige Angst um unser Kind, welches vermutlich nun schon auf dem Heimweg war und diese Haltestelle war der Endpunkt, wenn sie aus dem Zug ausgestiegen war.
Der Anblick der sich uns bot, war schwer zu definieren.
Rechts von uns stand ein Bus voll mit schreienden Mädchen und um den Bus herum standen gefühlt hunderte Menschen, die alle schauen wollten was passiert ist.
Vor dem Bus, nur wenige Meter weiter links stand, mitten auf der Kreuzung die Straßenbahn.
Mehrere junge Männer, schienen mit einer braunen Plane den Einblick ins innere des letzten Wagens verbergen zu wollen.
Das nützte leider nichts, da sich die Tür öffnete.
Mir wurde schlecht.
Wir waren nur noch ungefähr zehn Meter von der Bahn weg und nun verstand ich warum die Mädchen kreischten als hätten sie den Teufel persönlich gesehen
Es war geradezu grauenhaft.
Meine Frau, der das öffnen der Straßenbahntür nicht entgangen war, trat zu mir und umklammerte mich. „Unsere Tochter wird bald hier sein“ sagte sie mit angsterfüllter Stimme.
„Was für eine scheisse geht denn da ab?“
Ich versuchte genaueres zu sehen und trat instinktiv einen Schritt nach vorn. Entsetzt hielt meine Frau mich fest.
„Du spinnst wohl, bleib hier“ sagte sie.
Ich schaute zu dem Bus, aus dem jetzt die Mädchen kreischend und schreiend herauskamen und davon liefen. Ein paar der Passanten tat es ihnen gleich und kurz darauf standen wir nur noch zu zweit der grauenvollen Szene gegenüber.
Wir konnten nicht fliehen, immerhin galt es jetzt einen Weg zu finden, wie wir unser Kind sicher vom Bahnhof abholen konnten, ohne diesen Freaks zu nahe zu kommen.
Aber waren das nun wirklich nur harmlose Freaks oder war da gerade ein Massaker geschehen. Und wollten wir es wirklich herausfinden?
Zwischenzeitlich war der ganze Platz voll Polizisten und deren Autos, die sich nun darauf vorbereiteten den Wagon zu stürmen. Sie kamen zu uns, um uns zu verscheuchen.
„Wir warten auf unser Kind“ schrie meine Frau den einen Polizisten, der sie am Arm nehmen und wegführen wollte, ins Gesicht,
„Das können Sie uns im Polizeiauto erzählen, da sind sie in Sicherheit. Aber nicht hier “ sagte er und zog sie mit.
„Sicherheit, das klingt gut“ sagte ich und folgte den beiden, nicht ohne jedoch genau nun hinzuschauen wie ein Typ mit einer Art Sturmgewehr aus der Tür trat und die Polizisten angriff.
Aus seiner Waffe kam rote Flüssigkeit. Und er begann wie irre zu lachen.
„Was zum Geier ist das?“ Ich wollte das sehen und blieb stehen, während die Polizisten das Feuer auf ihn eröffneten.
Er fiel mit einem lauten Geräusch um.
Aus dem inneren der Straßenbahn ertönte dämonisches Gelächter und es wurde still.
Außer den bellenden Hunden war nicht mehr zu hören.
Plötzlich klingelte mein Handy.
„Papa, darf ich heute bei meiner Freundin schlafen? Ihre Mutter ist einverstanden. Hier rede du mit ihr.“
Meine Frau riss mir das Handy aus der Hand und schrie hinein „Bist Du in Ordnung? Ist bei Dir alles okay?“ und fing vor Erleichterung an zu weinen.
Während sich die Straßenbahntür schloss und die Bahn sich langsam in Gang setzte.
Ich sah wie die braune Plane herunterfiel und die Polizisten wie versteinert dastanden.
In der Bahn stand der Irre, mit seiner blutrote Flüssigkeit verspritzenden Waffe und winkte.
Ende.
Ist das wirklich das Ende?
Ich weiß nicht mehr, wie wir an diesem Tag nach Hause gekommen sind.
Meine Frau hat nie über dieses Erlebnis gesprochen und wenn ich damit anfangen wollte, mir jedes mal das Thema abgeschnitten.
Vielleicht hab ich es nur geträumt oder aber irgendwo da draußen rennt ein Irrer herum, mit einer Wasserpistole voller blutähnlicher Flüssigkeit und versetzt die Menschen in Angst und Schrecken.